Zurück zur Übersicht

Den Häusern der Hoffnung folgen

Tag 1

„Die Frauen hier sind so stark!“

Rhune beginnt, das Wesen des House of Hope (Haus der Hoffnung) zu verstehen und schildert ihre ersten Eindrücke:

Sie tanzen sich buchstäblich durch die Verzweiflung und gemeinsam überwinden wir so auch die Sprachbarriere. Ich habe noch nie einen solchen Optimismus in solch verheerenden Situationen gesehen. Dennoch ist die Hilflosigkeit unvermeidlich.

Die Frau, die Sie auf diesem Bild sehen können, ist Lucy.

Photo: Lucy, Hausangestellte im House of Hope Kimara

Tag 2

Wie diese Frauen und Kinder hier miteinander auskommen, ist eines der aufrichtigsten Dinge, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Das House of Hope stellt sicher, dass diese Menschen ihre Situation nicht individuell, sondern kollektiv bewältigen müssen. Sie finden Frieden und Trost in dieser kleinen Gemeinschaft, die auf Liebe und Vertrauen aufgebaut ist. Sie wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können, weil sie sich in ähnlichen Positionen befinden. Du kannst die Traurigkeit und die Trauer fühlen, aber du fühlst immer noch Funken der Hoffnung und Freude. Sie alle tanzen und singen, essen und schlafen in gemeinsamen Räumen. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl habe ich noch nie so stark gespürt wie hier.

Photo: Mütter, Kinder und Lucy teilen den Alltag

Tag 3

Wenn sie diese Frauen fragen, wie sie sich über ihre Situation fühlen, antworten sie oft durch ihren Glauben, dass Gott alle Antworten hat und alles so ist, wie es sein sollte. Zu wissen, dass Hilfe möglich ist und sich einige Dinge strukturell ändern können, aber einfach nicht passieren, macht mich traurig. Aber zu wissen, dass wir als Menschen auch Gott sein können, wenn wir nur unsere Herzen öffnen und unsere Empathie nutzen, um ein gutes Leben für alle zu schaffen, gibt mir Hoffnung.

Diese Frauen gehen oft in die Kirche, beten und verlassen sich darauf, in der Hoffnung, dass dies ihre Situation verbessern wird. Sie glauben wirklich daran, was in der Tat schön ist, aber der Glaube allein reicht nicht aus, um diese Situationen zu verbessern. Es besteht ein Bedarf an finanzieller Unterstützung, und das muss von außen geschehen. Es gibt ein Bedürfnis nach Veränderung und das ist es auch, was diese Menschen nicht allein schaffen können.

Gleichgültigkeit ist das größte Verbrechen, das man begehen kann

Wie sie glauben, glaube auch ich, dass wir als lebendige und bewusste Wesen in der Lage sind, Liebe zu geben und empathisch gegenüber unserer eigenen Art zu sein. Ich glaube, dass wir glücklich sein können, wenn wir alle die gleichen Chancen haben und versuchen, diesen Punkt gemeinsam zu erreichen.

Photo: Gebete im Haus der Hoffnung

Tag 4

Verzicht – die Regel, nicht die Ausnahme

Viele der Frauen, die ins House of Hope kommen, wurden oft von ihren Ehemännern verlassen. Weil ihr Kind Spina bifida und/oder Hydrocephalus hat, werden häufig sowohl Kind als auch Mutter von der Familie abgelehnt. Sie werden als unnütz angesehen, was dazu führt, dass sie in solch einer tragischen Situation unsichtbar sind. Diese Frauen besitzen oft wenig oder gar keine finanziellen Mittel. Sie tragen also nicht nur den emotionalen, sondern den finanziellen Schaden mit sich. Obwohl sie versuchen, alles zu tun, damit ihr Kind so gut wie möglich aufwächst, leben sie meist in Unsicherheit und Elend. In einem House of Hope wird ihnen emotionale und finanzielle Unterstützung geboten, damit sie dennoch ein menschenwürdiges Leben führen können.

Tag 5

Auf diesem Foto sehen Sie Rowrly und Merrie in dem Moment, in dem wir uns auf den Weg zum Meer machen. An manchen Tagen sorgt das House of Hope dafür, dass alle zusammen eine kurze Zeit dem Alltag entfliehen können. Gemeinsam lösen die Gäste so die Schwere und werden nicht ständig mit ihrer Situation konfrontiert. Es war sehr schön, den Menschen hier auf eine andere Art und Weise zu begegnen. Wer sind sie, wenn sie sich wirklich wohlfühlen und für eine Weile alles loslassen?

Tag 6

Papa, wo bist du?

Im Muhimbili National Hospital stehen die Räume voller Bettenreihen, in denen ich Mütter mit ihren kranken Kindern sehe oder kranke Kinder, die allein liegen. Oft bleiben sie Tage oder Wochen hier.

Während meines Aufenthalts hier kann ich mich nur fragen, warum ich keine Väter sehe. Ich versuche zu hoffen, dass ihre Abwesenheit nur das zufällige Ergebnis meines Kommens in diesem bestimmten Moment ist. Leider bezweifle ich das sehr und es bricht mir das Herz.

Ein frisch operiertes Kind im Muhimbili National Hospital.

Ich sehe nur Mütter mit verzweifelten Gesichtern… Gesichter voller Liebe, aber Verzweiflung, die auf ihr Kind gerichtet ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, in einem Zustand ständiger Panik zu leben, sich zu fragen, wie die Zukunft des eigenen Kindes aussehen wird, sich zu fragen, ob es überhaupt eine Zukunft haben wird.

Eine Mutter mit ihrem Kind im Muhimbili National Hospital.

Dieser Raum ist still und atmet Trauer. Ich höre kein Gelächter, nicht einmal das Geräusch von Menschen, die sich unterhalten.

Als ich gehe, nehme ich diese Atmosphäre mit.

Ich kann nur daran denken, wie machtlos ich dieser Situation gegenüber stehe, und hoffen, dass die Stimmen dieser Mütter jemals gehört werden. Egal, wie weit sie entfernt zu sein scheinen. Die Stimmen sind eigentlich so nah und verstecken sich in unserer Menschlichkeit.

Tag 7

Trotz des harmonischen Zusammenlebens spürt man bei den Menschen, die hier wohnen, oft viel Langeweile. Man muss nicht viel tun, um die Menschen hier glücklich zu machen. Vor ein paar Tagen hatte ein ruhiger Junge, Michael, gesagt, dass er gerne Fußball spiele. Darauf aufbauend ging ich auf den Markt und kaufte mir einen Fußball in der Hoffnung, im kleinen Rahmen etwas Funken in ihr Leben zu bringen. Als ich zurückkam und Michael sah, dass ich einen Ball gekauft hatte, fing er an zu weinen. Er konnte nicht glauben, dass ich ihnen tatsächlich einen Ball gekauft hatte. Dieser Ball, der mir finanziell nichts bedeutet, verändert den ganzen Tag der Menschen hier. An diesem Abend spielten wir alle zusammen Fußball und lachten … viel zu viel. Den Abend werde ich nie vergessen. Während der restlichen Zeit meines Aufenthaltes in Kimara konnte ich noch von meinem Zimmer aus den Ball im Garten hüpfen hören.

Photo: Der geschenkte Ball im House of Hope in Kimara.

Tag 8

Klassenzimmer und eine sichere Bleibe mitten im Dschungel

Als ich in Vikindu, das etwa 30 Kilometer südlich von Dar es Salaam liegt, ankam, hatte ich ganz automatisch ein gutes Gefühl. Ich wurde von den Kindern herzlich empfangen, die am Auto vorbeikamen. Die Mitarbeitenden gaben ihr Bestes, um mir sofort den Campus von Development Tanzania zu zeigen.

Der Campus Development Tanzania in Vikindu.

An diesem Ort werden Kinder mit Behinderungen, einschließlich Spina Bifida und/oder Hydrocephalus, betreut.

Hier können sie ungestört am Unterricht folgen und voneinander, ohne – wie so häufig – vom Rest der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden. Sie werden akzeptiert und lernen, mit sich selbst, ihren Mitmenschen und ihrer Behinderung zurechtzukommen. Die Lehrer arbeiten hier meist freiwillig.

Inklusion

 

Tag 9

Ehrenamtliches Engagement, das sich lohnt

Sarah, eine 20-jährige junge Frau aus Berlin, ist nach nach Vikindu gekommen, um hier für vier Monate ehrenamtlich zu arbeiten. Sie unterrichtet die Kinder ohne Erfahrung als Lehrerin. Trotzdem macht sie einen tollen Job. Sie tanzt (meiner Meinung nach werden alle Kinder und Erwachsenen hier mit Rhythmus geboren) und spielt mit den Kindern, setzt dabei Ausdruck und Farbe ein. Sie tut alles, um ihnen die Bildung, Spaß und Zusammensein zu ermöglichen.

Sowohl hier als auch im House of Hope besteht ein großer Bedarf an Freiwilligen. Es ist nicht nur eine Hilfe für die Kinder selbst, sondern auch für den/die Freiwillige/n selbst, weil man neue und unbezahlbare Erfahrungen sammeln kann. Ich merke an mir selbst, dass sich hier mein Sinnsuche stark weiterentwickelt. Indem man Hilfe anbietet, erkennt man, wie schön es ist zu helfen. Indem man anderen etwas ermöglicht, bekommt man selbst die Chance, sich in seiner Menschlichkeit weiterzuentwickeln.

Photo: Sarah, ehrenamtliche Lehrerin bei Development Tanzania – Schule für Kinder mit Behinderungen, in Interaktion mit den Kindern.

Tag 11

Familie und Teamarbeit

Ich durfte eine Woche lang bei Janet, die für Child-Help International als Director Programs arbeitet, und ihrer Familie wohnen. Ihr Haus liegt mitten auf dem Campus von Development Tanzania. All das hat Janet mit ihrem Mann Walter gegründet.

Nachdem sie viel Elend gesehen hatte, verspürte sie das Bedürfnis, etwas Gutes für die Welt zu tun. Alle ihre Kinder helfen bei den täglichen Dingen auf dem Campus. Sie putzen, kümmern sich um die anderen Kinder, unterrichten oder folgen selbst dem Unterricht. Ich habe mich sofort wie zu Hause gefühlt.

Den liebevolle Umgang miteinander hier möchte ich festhalten und mit nach Hause und in mein eigenes Leben nehmen.

Photo: Janets Familie

Janets Familie

Tag 12

Das ist Meshack Dotto.

Er gehört zu den Neuzugängen an der Schule. Er wurde auf den Straßen von Dar es Salaam gefunden, wo zwei ältere Männer ihn benutzten: Sie bettelten mit ihm an unterschiedlichen Orten um Geld.

Eine Schule hatte er vorher nie besucht. Die zwei Männer holten ihn aus seinem Dorf, seine leibliche Familie bekam Geld dafür. Wir kennen weder sein tatsächliches Alter noch seine Eltern. Meshack Dotto hat keine Erinnerung mehr an seine Heimatstadt, da er vor langer Zeit entführt wurde.

Seit August 2022 lebt Meshack Dotto auf dem Campus. Er wohnt dauerhaft in der Schule.

Photo: Links im Bild sitzt Meschack Dotto

Links im Bild sitzt Meschack Dotto

Tag 13

Auf diesem Bild sehen Sie Faraja. Sie ist acht Jahre alt und hat Spina bifida. Sie wurde in Bugando, Mwanza, behandelt und ist seit der Gründung des Campus im Jahr 2018 in Vikindu.

Zum Zeitpunkt der Aufnahme dieses Fotos wurde ihr von Gwantwa geholfen. Gwantwa kümmert sich um die Clean Intermittent Catheterization (CIC) für Kinder mit Spina bifida. Das ist eine Methode, die zur Selbst-Katheterisierung befähigt.

Kinder mit Spina bifida verlieren manchmal unkontrolliert Stuhlgang. Daher wurde hier ein Raum eingerichtet, in dem eine Krankenschwester den Kindern rechtzeitig hilft, damit sie sich nicht unwohl fühlen. Hier wird den Kindern auch beigebracht, wie sie selbst damit umgehen können, um sich mit der gewünschten Privatsphäre selbst zu versorgen.

Alle verwendeten medizinischen Materialien werden von Child-Help gespendet.

 

Tag 14

Das Kind, das Sie auf diesem Foto sehen, ist Karisma.

Sie hat einen Hydrocephalus. Janet und ihr Mann fanden sie, als sie mit ihrer Mutter zusammen Maniok auf der Straße verkaufte. Sie nahmen sie auf. Seitdem geht sie in den Kindergarten in Vikindu.

Photo: Karisma im Kindergarten in Vikindu

Karisma im Kindergarten in Vikindu

Tag 15

Haus der Hoffnung Sansibar

Wrayda leitet das House of Hope Sansibar. Sie ist selbst Mutter eines Kindes mit Hydrocephalus. Daher weiß sie, was sowohl das Kind als auch die Mutter brauchen.

Während unseres Gesprächs fängt sie an zu weinen, wischt sich aber sofort die Tränen weg, weil sie sich dafür schämt. Ich sage ihr, dass es wichtig ist, dass sie ihren Emotionen freien Lauf lässt und dass ihre Gefühle wertvoll sind. Sie antwortet, dass sie das hier normalerweise nicht mache, dass dies eines der wenigen Male sei, dass sie so über ihre Situation spreche. Sie findet es seltsam, dass sie sich mir so öffnen kann. Seitdem ich in Ostafrika bin, ist mir mehr als einmal aufgefallen, dass psychische Gesundheit hier nicht als primärer Bestandteil der Existenz angesehen wird.

Als Mutter eines Kindes mit dieser Behinderung macht sie alles mit sich selbst aus. Sie füttert ihr Kind mit einem breiten Lächeln und tut, was in dieser Gesellschaft von ihr erwartet wird.

Photo: Wrayda, Mutter eines Kindes mit Hydrocephalus und Leiterin des House of Hope Sansibar

Wrayda, Mutter eines Kindes mit Hydrocephalus und Leiterin des House of Hope Sansibar

Tag 16

Eine Krankenschwester verabreicht im Krankenhaus von Sansibar einem frisch operierten Baby Schmerzmittel gegen seine starken stechenden Schmerzen.

Child-Help übernimmt einen Teil der Krankenhauskosten und sorgt dafür, dass Frauen in Not geholfen werden kann und ihre Kinder Medikamente bekommen.

Photo: Eine Krankenschwester verabreicht einem Baby im Krankenhaus von Sansibar Schmerzmittel

Eine Krankenschwester verabreicht einem Baby im Krankenhaus von Sansibar Schmerzmittel

Tag 17

Ein eigener Raum im House of Hope Sansibar für Mütter, Väter und ihre Kinder.

Tag 18

Im Foto sehen Sie Hussein (Mitte) und seine Verwandten.

Hussein ist einer der Mitarbeiter des House of Hope Sansibar und Vater eines Kindes mit Spina bifida.

In den Houses of Hope wird sichergestellt, dass alle Mitarbeiter*innen Erfahrung mit der Behinderung Spina bifida und/oder Hydrocephalus haben. Dies ermöglicht ihnen, die Gäste besser zu verstehen und die richtige Pflege zu leisten.

Hussein hat mich diese Woche überall hin mitgenommen. Er gibt sein Bestes, damit sich andere Menschen wohl fühlen. Dabei vergisst er manchmal sogar, auf sich selbst zu achten. Jeden Abend besucht das Krankenhaus, um zu sehen, wie es den Müttern und ihren Kindern geht. Zu diesen Besuchen bringt er immer Geschenke mit. Ich weiß nicht, ob das Teil seines Jobs ist, aber ich weiß, dass er es jeden Tag macht und es genießt.

Mir fällt auf, wie engagiert alle Mitarbeiter*innen hier sind und wie sehr sie dafür sorgen, dass sich alles für alle gut anfühlt.

Tag 19

Auf diesem Bild sehen Sie Aida Ali und ihre sechsjährige Tochter Fatma.

Fatma wurde mit einem Hydrocephalus geboren. Kurz nach ihrer Geburt, rieten die Schwiegereltern Fatmas Vater, sich von Aida scheiden zu lassen. Sie waren davon überzeugt, dass alle weiteren Kinder ebenfalls mit Behinderungen geboren würden. Sie entschuldigten sich immer wieder. Aida ließ sich schließlich scheiden – während ihre Tochter im Mnazi-Mmoja-Krankenhaus behandelt wurde.

Aida stammt aus einer sehr armen Familie in Pemba, Sansibar. Die Scheidung es ihr sehr schwer gemacht hat, ihr behindertes Kind alleine großzuziehen (was sie jetzt seit fast sieben Jahren tut).

Die Mitarbeitenden des House of Hope Sansibar trafen Fatma bei einem Hausbesuch in einem sehr schlechten Zustand an. Sogar die Großeltern glaubten, sie würde den nächsten Tag nicht mehr erleben. Sie beschlossen, Fatma ins House of Hope nach Unguja zu bringen. Dort blieb sie mehr als ein Jahr lang. Heute geht es ihr viel besser, sie lächelt und isst, aber emotionale und finanzielle Hilfe wird immer noch benötigt.

Fatma geht es heute viel besser, finanzielle und emotionale Hilfe benötigen sie und ihre Mutter aber immer noch