Pierre Mertens, 1. Vorsitzender und Gründer von Child-Help, über die Dringlichkeit, Mütter von Kindern mit Behinderung zu unterstützen:
In vielen afrikanischen Gesellschaften verschärft die Geburt eines Kindes mit einer Behinderung häufig die ohnehin schon herausfordernde Position von Frauen. Kulturelle Überzeugungen und gesellschaftliche Normen führen oft dazu, dass diese Mütter von ihren Ehemännern und Schwiegerfamilien ausgegrenzt oder verlassen werden, wodurch sie gezwungen sind, ihre schwierigen Umstände allein zu bewältigen. Traditionell leben diese Frauen mit der Familie ihres Ehemanns zusammen, welcher einen Brautpreis gezahlt hat, was es ihnen erschwert, nach einer Zurückweisung in ihre eigenen Familien zurückzukehren.
Das Stigma, das mit einer Behinderung verbunden ist, kann schwerwiegende Folgen haben. In einigen Gemeinschaften wird die Behinderung eines Kindes nicht nur als persönliches Unglück, sondern als Fluch oder Bedrohung für den gesamte Gemeinschaft angesehen. Eine Mutter, die in einem der „Häuser der Hoffnung“ lebt, berichtete von einer erschütternden Erfahrung, bei der ihr Schwiegervater seine Diabetes-Erkrankung auf den Zustand ihres Kindes mit Hydrocephalus zurückführte, was in der Familie zu dem Konsens führte, dass das Kind getötet werden sollte.
Solche extremen Überzeugungen sind nicht ungewöhnlich. In Niger zum Beispiel werden Mütter von Kindern mit Behinderungen manchmal aus ihren Gemeinschaften verstoßen, weil man glaubt, dass ihre Kinder von bösen Geistern besessen seien. Die vermeintliche Ursache? Es wird angenommen, dass der Teufel während der Schwangerschaft in die Mutter eingedrungen ist, weil ihr Körper selbst bei sengenden Temperaturen von über 40°C nicht ausreichend bedeckt war. Dieser kulturelle Aberglaube isoliert und bestraft diese Mütter weiter, indem er ihnen die Schuld für die Behinderungen ihrer Kinder gibt.
Die Ursachen dieser Behinderungen sind oft mit Armut verbunden. Mangelernährung bei werdenden Müttern kann zu Frühgeburten führen, und diese Frühgeborenen haben ein erhöhtes Risiko für Hirnblutungen, die wiederum zu Hydrocephalus führen können. Dies schafft einen Teufelskreis, bei dem Armut zu Behinderungen führt und Behinderungen die Armut weiter verschärfen. Die finanzielle Belastung, ein Kind mit besonderen Bedürfnissen zu versorgen, ist erheblich und zwingt die Mütter oft dazu, zu Hause zu bleiben, um um ihre Kinder zu pflegen, was sie dann wiederum daran hindert, am Arbeitsmarkt teilzunehmen, was ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten weiter einschränkt.
Diese Situation verdeutlicht die dringende Notwendigkeit gezielter Unterstützung von Müttern von Kindern mit Behinderungen, insbesondere in Regionen, in denen kulturelle Stigmatisierung und wirtschaftliche Not die Herausforderungen zusätzlich verschärfen. Indem wir diesen Müttern die notwendigen Ressourcen, Bildung und Gemeinschaftsunterstützung bieten, können wir dazu beitragen, den Kreislauf von Armut und Behinderung zu durchbrechen und sowohl den Müttern als auch ihren Kindern ein erfüllteres und selbstbestimmteres Leben ermöglichen.
Child-Help stärkt diese Mütter durch Selbsthilfegruppen, in denen Peer-Beratung eine zentrale Rolle spielt, um Resilienz und Solidarität zu fördern. Darüber hinaus bieten Einrichtungen wie die „Häuser der Hoffnung“ von Child-Help, die sich in der Nähe von Krankenhäusern befinden, den Müttern wichtige Informationen über die wahren Ursachen der Behinderung ihres Kindes. Dieses Wissen ist entscheidend, um Stigmatisierung zu bekämpfen und Ausgrenzung zu verhindern.
Leider hält sich weiterhin der Glaube, dass Kinder, die mit Spina bifida und Hydrocephalus geboren werden, besser nicht überleben sollten.. In vielen Teilen Afrikas führt das Fehlen einer angemessenen Behandlung zu äußerst schlechten Prognosen, was die negativen Wahrnehmungen dieser Krankheiten verstärkt. Diese düstere Aussicht entmutigt Familien, Hilfe zu suchen, und perpetuiert letztlich den fatalistischen Kreislauf, den wir zu durchbrechen versuchen.
Dies unterstreicht die Bedeutung von Wissen und Unterstützung im Kampf gegen Stigmatisierung und zur Veränderung der Wahrnehmung von Behinderungen.